Arno Schmidt Weblog

Sonntag, Juni 09, 2002

am 29. Mai gab es in Gasny (Eure) im Lager des Barsortimenters "Les Belles Lettres" einen Grossbrand. Drei Millionen Bücher gingen in Flammen auf.
Betroffen sind neben dem Sammlung antiker Klassiker "Budé" vor allem Kleinverlage, darunter auch Tristram, der jetzt die französischen Übersetzungen von Arno Schmidt betreut. Wie Claude Riehl mitteilt, hat der
Tristram-Verleger Jean-Hubert Gailliot grossen Schaden erlitten.
Hoffentlich wird es öffentliche Mittel geben. Die Arno Schmidt-Bände können glücklicherweise noch in gewissem Umfang an Buchhändler ausgeliefert
werden, da ein Teil der Bestände kurz vorher in die neuen eigenen Verlagsräume zurücktransportiert worden war.

In der Literaturbeilage von "Le Monde" (7.6. 2002, Seite X) wird As nach Virgil, Cicero und Homer angeführt:

"Dans les cendres de l'incendie de l'entrepôt des Belles Lettres, les pages brûlées de Virgile, Cicéron ou Homere se mêlent a celles d'Arno Schmidt ...."

Rudi Schweikert: Das gewandelte Lexikon
Zu Karl Mays und Arno Schmidts produktivem Umgang mit Nachschlagewerken
Aus dem poetischen Mischkrug, Band 2
2002. 272 Seiten, kartoniert

Der Band enthält 22 Beiträge, davon 11 Erstdrucke, die Karl Mays und Arno Schmidts Techniken untersuchen, Lexikoninformationen literarisch umzusetzen.
In detaillierten Analysen werden die handwerklichen Tricks beider Schriftsteller aufgezeigt, trockenes lexikalisches Wissen lebendig und oft nicht ohne versteckten Witz den eigenen Texten einzuverleiben. Arno Schmidts erste Karl-May-Adaption kommt dabei ebenso zu Sprache wie die Tatsache, dass beide Autoren die Vorliebe für bestimmte Lexikonartikel teilten. Die vier in diesem Band enthaltenen ausführlichen Beiträge zum Werk Arno Schmidts sind
bisher unveröffentlicht.


Samstag, Juni 08, 2002

Splitter

aus einem Brief Hans Henny Jahnns (Hamburg-Blankenese) vom 8.6.1959 an Ernst Kreuder (Darmstadt-Mühltal):

"Was unser Herr Vizepräsident [Frank Thieß, Vizepräsident der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur] über die Literaturpreise in Deutschland von sich gegeben hat, ist m. E. hahnebüchen [sic]. Die von ihm genannten mehr als 200 Preise sind zu allermeist durch Cliquen vergeben oder mit Tendenzen behaftete Belohnungen. (...)
Es ist beschämend, wenn unser Präsident [Peter Rassow (1889-1961), Historiker, 1958-1961 Präsident der Akademie der Wissenschaften und der Literatur] behauptet, daß die Einrichtung eines Preises für die Mainzer Akademie fi[n]anziell undurchführbar sei. Wir können einen Akademie-Umbau bewerkstelligen, der 1 Million kostet, aber für die Lebenden dürfen wir nichts ausrichten. Ich denke mit großer Bewegung an Arno Schmidt, der doch
immerhin - wenn auch umstritten - sich nicht in den konformistischen Schlamm begeben hat."
(Hans Henny Jahnn - Ernst Kreuder, Der Briefwechsel 1948-1959. Hrsg. u. bearb. v. Jan Bürger, Mainz: v. Hase & Koehler, 1995 (= Die Mainzer Reihe 78), Nr. 108, S. 213 f.

Ansonsten gibt es nur eine weitere Erwähnung Schmidts in diesem Briefwechsel (S. 202 f.): Ernst Kreuder nennt ihn (zusammen mit Koeppen, Eich, Aichinger, Hildesheimer u. a.) am 6.5.1958 als Mitunterzeichner eines Briefes an den SPD-Parteitag, in dem Erich Ollenhauer aufgefordert wurde, sich gegen die atomare Aufrüstung einzusetzen.

"Seelandschaft mit Pocahonthas" wurde ins Niederländische übersetzt von Jan H. Mysjkin und ist bei Uitgeverij IJzer erschienen: Meerlandschap met Pocahontas.
Andere Übersetzungen von Jan H. Mysjkin (Uit het leven van een faun, Brand's Heide, und Zwarte Spiegels) sind bereits bei Uitgeverij Perdu publiziert worden.

In einem Brief aus Mainz vom 12. Januar 1952 an Hermann Kesten schreibt Alfred Döblin:

"Den jungen Arno Schmidt, der hier in der Nähe wohnt, kenne ich, wir haben ihm von der Akademie im Vorjahr einen Preis von DM 2000,- zugeteilt. Ein formal sehr begabter Mann, fähig und unbekümmert, aber bis jetzt ist kein rechtes Fundament und keine Linie sichtbar. Nun, für den Anfang reicht dieses."

(Alfred Döblin: Ausgewählte Werke in Einzelbänden. Briefe II. Hrsg. v. Helmut F. Pfanner, Düsseldorf u. Zürich: Walter Vlg., 2001, S. 409)


Freitag, Juni 07, 2002

Am Montag, den 24. Juni findet im Literaturhaus Stuttgart (im Bosch-Areal),
Breitscheidstraße 4, um 20 Uhr die Gastveranstaltung "Arno Schmidt setzen",
Vortrag von Friedrich Forssman, statt. Eintritt 8 Euro, Studenten 5 Euro.
www.literaturhaus-stuttgart.de


Mittwoch, Juni 05, 2002

Auf der
Website des Aisthesis Verlags wird derzeit die CD-ROM "Arno Schmidt -
Bibliographie und audiovisuelle Zeugnisse zu Leben, Werk und Wirkung" von
Karl-Heinz Müther et al. zum Sonderpreis von 15 Euro angeboten.

Splitter
In der TAZ / Mittwoch, 5. Juni 2002
Dirk Knipphals: Kronprinz in der Bewährungsprobe
(Porträt des Verlagsleiters Günter Berg bei Suhrkamp).
...
"Die verlegerische Grosstat, dass Arno Schmidt bei Suhrkamp erscheint, ist
mit dem Namen Günter Berg verknüpft."


Dienstag, Juni 04, 2002

Splitter

Hans-Klaus Jungheinrich in der FR:

Der Besucher verliert sich also nicht in einem
unbestimmbaren Zeitstrom an die Musik, sondern bleibt
hübsch auf dem Teppich des Gequantelten und
Gemessenen und auf ähnlich sicherem Boden wie einst
Arno Schmidt, der keinen Schritt tat, ohne sich dabei
seiner präzisen Position in den virtuellen
Linienfeldern der Längen- und Breitengrade bewusst zu
sein.

Hans-Klaus Jungheinrich: Eine Uhr und ein paar
Teufel. Über dem Vorhang läuft die Zeit, darunter
Harry Kupfer: Die Dresdner Musikfestspiele in der
Semperoper.

Frankfurter Rundschau, 4.6.02

Hans Mayer hat in Vorträgen in den achtziger und neunziger Jahren immer
wieder seine Wertschätzung Arno Schmidts bekundet. Da sein Name in der
Splittersammlung noch fehlt, hier einige Zitate:

Zeitgenosse Hans Henny Jahnn (Hamburg 1984)
"Dichter: das wählt sich nicht, und ist doch immer wieder und noch bei uns
möglich gewesen, und hieß dann, in neuerer Zeit, Günter Eich und Peter
Huchel, Paul Celan und Marie Luise Kaschnitz, war auch nicht aufs Gedicht
beschränkt, sondern trug Namen wie Hans Henny Jahnn, Arno Schmidt, zuletzt
hieß einer Uwe Johnson."
(In: H. M., Aufklärung heute. Reden und Vorträge 1978-1984, Ffm.: Suhrkamp
1985, S. 269-285, hier S. 269)

Auf der Suche nach dem Vater. Rede über Hubert Fichte (1986)
"(...) Aber den Georg-Büchner-Preis hat er [Fichte] ebensowenig bekommen wie
Arno Schmidt.
Wenn ich nach den bedeutendsten deutschen Schriftstellern seit Ende eines
Zweiten Weltkriegs gefragt würde, ich müßte den Namen Heinrich Böll in
Klammern setzen, weil sich die Größe Heinrich Bölls nicht allein auf sein
Werk als Schriftsteller gründet. So blieben mir vier Namen:
Arno Schmidt
Günter Grass
Uwe Johnson
Hubert Fichte.
Viermal, in grundverschiedenen Formen und Anstrengungen, ein Werk der
radikalen Innovation: ganz ohne Zugeständnisse an irgendwelche
Erwartungshaltungen. Viermal ein Lebenswerk, das von Grund auf verpflichtet
ist den emanzipatorischen Grundbegriffen des Wissens und der Bildung: also
der Aufklärung.
Wer von Aufklärung spricht, zumal in Hamburg, hat den Namen Gotthold Ephraim
Lessing genannt. Es gibt einen Gotthold-Ephraim-Lessing-Preis der Freien und
Hansestadt Hamburg. Hat ihn der Hamburger Arno Schmidt erhalten? Günter
Grass hat ihn nicht erhalten. Uwe Johnson hat ihn nicht erhalten. Hubert
Fichte hat ihn nicht erhalten. Es dauerte lange, und gab damals viel
Gezeter, ehe man Hans Henny Jahnn, den Begründer und Präsidenten unserer
Akademie, ins Rathaus holte, um ihn in Lessings Namen auszuzeichnen."
(In: H. M., Abend der Vernunft. Reden und Vorträge 1985-1990, Ffm.: Suhrkamp
1990, S. 47-65, hier S. 63)

Nachdenken über den großen Nörgler. Karl Kraus zum 50. Todestag (1986)
"Die selbstgewollte Einsamkeit, wenn sie gewollt war, ließ sich nicht
erzwingen. Die großen Verächter der Kulturindustrie wurden bald schon von
ihr vereinnahmt: Stefan George, Karl Kraus, Arno Schmidt."
(In: H. M., Abend der Vernunft. Reden und Vorträge 1985-1990, Ffm.: Suhrkamp
1990, S. 67-87, hier S. 82)

Unser trojanischer Krieg. Tragödien und Komödien im 20. Jahrhundert (1987)
"(...) Auch eine der ersten Erzählungen von Arno Schmidt spielt während des
Punischen Krieges unter karthagischer Herrschaft im südlichen Frankreich,
das noch nicht Gallien hieß."
(In: H. M., Abend der Vernunft. Reden und Vorträge 1985-1990, Ffm.: Suhrkamp
1990, S. 125-144, hier S. 140)

Über deutsche Literatur nach zwei Weltkriegen
"Ich möchte (...) ein paar Namen nennen, um anzudeuten, wo ich die
wichtigsten literarischen Potenzen in den letzten Jahrzehnten zu sehen
glaube. Es ist evident dabei, daß die hier genannten Namen keinesfalls
identisch sind mit den vielgelesenen Autoren von Bestsellern oder
Best-Büchern im Sinne einer Meinungsumfrage. Bezeichnend ist außerdem, daß
alle Autoren in einer tiefen Einsamkeit gelebt und geschrieben haben.
Dennoch bedeutet ihr Werk in allen Fällen eine Durchbrechung der Einsamkeit.
Arno Schmidt ist tot, verhältnismäßig früh gestorben, mit 65 Jahren, Elias
Canetti vom Jahrgang 1905 lebt ganz zurückgezogen in Zürich (...)
Arno Schmidt war in verwirrender Mischung gleichzeitig ein sehr deutscher
und ein ebenso typisch undeutscher Autor, Schmidt hat alle Sprachgrenzen der
deutschen Literaturdiktion verachtet und gesprengt. Das Ergebnis aber sollte
nicht gemütliche Umgangssprache werden, sondern eine höchst artifizielle
neue Form der literarischen Kommunikation. Außerdem verkörpert Arno Schmidt
in einer aufdringlich wiederkehrenden deutschen Wehleidigkeit und
Humorlosigkeit das seltene Phänomen eines bösen Humoristen und eines
zornigen Aufklärers. Beide sind sie, Arno Schmidt und Elias Canetti, bewußte
Autoren des Unglücklichen Bewußtseins.
(...)
Für Arno Schmidt war James Joyce das entscheidende Erlebnis. (...)"
(In: H. M., Wendezeiten. Über Deutsche und Deutschland, Ffm.: Suhrkamp 1993,
S. 39-64, hier S. 62 f.)

Schreiben in einer Wende
"Alle wichtigen Autoren seit 1950 haben sich neue Substanzen erschrieben,
neue Ausdrucksformen erprobt: in der deutschsprachigen Literatur waren es
Böll und Arno Schmidt, Dürrenmatt und Paul Celan, Uwe Johnson oder Thomas
Bernhard. Fast alle mußten es teuer bezahlen mit Armut, Verfolgung und
frühem Tod. Sie mußten sich eine neue, unerwartete Literatur schaffen, weil
die Wende des Jahres 1945 keine gewesen war."
(In: H. M., Wendezeiten. Über Deutsche und Deutschland, Ffm.: Suhrkamp 1993,
S. 297-313, hier S. 313)

Aus einem Vierergespräch über Thomas Mann und die Deutschen mit Inge Jens,
Walter Jens, Hanjo Kesting und Hans Mayer
"(Hans Mayer:) Er [Ernst Rowohlt] hatte auch das Gespür für eine neue
Literatur, er hatte einen Riesenstapel von Manuskripten, die in diesem
lizensierten Verlag gedruckt werden sollten; er hat zwei Manuskripte ganz
unbekannter Autoren genommen und sich dafür entschieden. Das eine war 'Nein
- Die Welt der Angeklagten' von Walter Jens, das andere war der nach wie vor
hinreißende 'Leviathan' von Arno Schmidt."
(In: H. M., Wendezeiten. Über Deutsche und Deutschland, Ffm.: Suhrkamp 1993,
S. 374)

Splitter

Hans Mayer hat in Vorträgen in den achtziger und neunziger Jahren immer
wieder seine Wertschätzung Arno Schmidts bekundet. Da sein Name in der
Splittersammlung noch fehlt, hier einige Zitate:

Zeitgenosse Hans Henny Jahnn (Hamburg 1984)
"Dichter: das wählt sich nicht, und ist doch immer wieder und noch bei uns
möglich gewesen, und hieß dann, in neuerer Zeit, Günter Eich und Peter
Huchel, Paul Celan und Marie Luise Kaschnitz, war auch nicht aufs Gedicht
beschränkt, sondern trug Namen wie Hans Henny Jahnn, Arno Schmidt, zuletzt
hieß einer Uwe Johnson."
(In: H. M., Aufklärung heute. Reden und Vorträge 1978-1984, Ffm.: Suhrkamp
1985, S. 269-285, hier S. 269)

Auf der Suche nach dem Vater. Rede über Hubert Fichte (1986)
"(...) Aber den Georg-Büchner-Preis hat er [Fichte] ebensowenig bekommen wie
Arno Schmidt.
Wenn ich nach den bedeutendsten deutschen Schriftstellern seit Ende eines
Zweiten Weltkriegs gefragt würde, ich müßte den Namen Heinrich Böll in
Klammern setzen, weil sich die Größe Heinrich Bölls nicht allein auf sein
Werk als Schriftsteller gründet. So blieben mir vier Namen:
Arno Schmidt
Günter Grass
Uwe Johnson
Hubert Fichte.
Viermal, in grundverschiedenen Formen und Anstrengungen, ein Werk der
radikalen Innovation: ganz ohne Zugeständnisse an irgendwelche
Erwartungshaltungen. Viermal ein Lebenswerk, das von Grund auf verpflichtet
ist den emanzipatorischen Grundbegriffen des Wissens und der Bildung: also
der Aufklärung.
Wer von Aufklärung spricht, zumal in Hamburg, hat den Namen Gotthold Ephraim
Lessing genannt. Es gibt einen Gotthold-Ephraim-Lessing-Preis der Freien und
Hansestadt Hamburg. Hat ihn der Hamburger Arno Schmidt erhalten? Günter
Grass hat ihn nicht erhalten. Uwe Johnson hat ihn nicht erhalten. Hubert
Fichte hat ihn nicht erhalten. Es dauerte lange, und gab damals viel
Gezeter, ehe man Hans Henny Jahnn, den Begründer und Präsidenten unserer
Akademie, ins Rathaus holte, um ihn in Lessings Namen auszuzeichnen."
(In: H. M., Abend der Vernunft. Reden und Vorträge 1985-1990, Ffm.: Suhrkamp
1990, S. 47-65, hier S. 63)

Nachdenken über den großen Nörgler. Karl Kraus zum 50. Todestag (1986)
"Die selbstgewollte Einsamkeit, wenn sie gewollt war, ließ sich nicht
erzwingen. Die großen Verächter der Kulturindustrie wurden bald schon von
ihr vereinnahmt: Stefan George, Karl Kraus, Arno Schmidt."
(In: H. M., Abend der Vernunft. Reden und Vorträge 1985-1990, Ffm.: Suhrkamp
1990, S. 67-87, hier S. 82)

Unser trojanischer Krieg. Tragödien und Komödien im 20. Jahrhundert (1987)
"(...) Auch eine der ersten Erzählungen von Arno Schmidt spielt während des
Punischen Krieges unter karthagischer Herrschaft im südlichen Frankreich,
das noch nicht Gallien hieß."
(In: H. M., Abend der Vernunft. Reden und Vorträge 1985-1990, Ffm.: Suhrkamp
1990, S. 125-144, hier S. 140)

Über deutsche Literatur nach zwei Weltkriegen
"Ich möchte (...) ein paar Namen nennen, um anzudeuten, wo ich die
wichtigsten literarischen Potenzen in den letzten Jahrzehnten zu sehen
glaube. Es ist evident dabei, daß die hier genannten Namen keinesfalls
identisch sind mit den vielgelesenen Autoren von Bestsellern oder
Best-Büchern im Sinne einer Meinungsumfrage. Bezeichnend ist außerdem, daß
alle Autoren in einer tiefen Einsamkeit gelebt und geschrieben haben.
Dennoch bedeutet ihr Werk in allen Fällen eine Durchbrechung der Einsamkeit.
Arno Schmidt ist tot, verhältnismäßig früh gestorben, mit 65 Jahren, Elias
Canetti vom Jahrgang 1905 lebt ganz zurückgezogen in Zürich (...)
Arno Schmidt war in verwirrender Mischung gleichzeitig ein sehr deutscher
und ein ebenso typisch undeutscher Autor, Schmidt hat alle Sprachgrenzen der
deutschen Literaturdiktion verachtet und gesprengt. Das Ergebnis aber sollte
nicht gemütliche Umgangssprache werden, sondern eine höchst artifizielle
neue Form der literarischen Kommunikation. Außerdem verkörpert Arno Schmidt
in einer aufdringlich wiederkehrenden deutschen Wehleidigkeit und
Humorlosigkeit das seltene Phänomen eines bösen Humoristen und eines
zornigen Aufklärers. Beide sind sie, Arno Schmidt und Elias Canetti, bewußte
Autoren des Unglücklichen Bewußtseins.
(...)
Für Arno Schmidt war James Joyce das entscheidende Erlebnis. (...)"
(In: H. M., Wendezeiten. Über Deutsche und Deutschland, Ffm.: Suhrkamp 1993,
S. 39-64, hier S. 62 f.)

Schreiben in einer Wende
"Alle wichtigen Autoren seit 1950 haben sich neue Substanzen erschrieben,
neue Ausdrucksformen erprobt: in der deutschsprachigen Literatur waren es
Böll und Arno Schmidt, Dürrenmatt und Paul Celan, Uwe Johnson oder Thomas
Bernhard. Fast alle mußten es teuer bezahlen mit Armut, Verfolgung und
frühem Tod. Sie mußten sich eine neue, unerwartete Literatur schaffen, weil
die Wende des Jahres 1945 keine gewesen war."
(In: H. M., Wendezeiten. Über Deutsche und Deutschland, Ffm.: Suhrkamp 1993,
S. 297-313, hier S. 313)

Aus einem Vierergespräch über Thomas Mann und die Deutschen mit Inge Jens,
Walter Jens, Hanjo Kesting und Hans Mayer
"(Hans Mayer:) Er [Ernst Rowohlt] hatte auch das Gespür für eine neue
Literatur, er hatte einen Riesenstapel von Manuskripten, die in diesem
lizensierten Verlag gedruckt werden sollten; er hat zwei Manuskripte ganz
unbekannter Autoren genommen und sich dafür entschieden. Das eine war 'Nein
- Die Welt der Angeklagten' von Walter Jens, das andere war der nach wie vor
hinreißende 'Leviathan' von Arno Schmidt."
(In: H. ...(oops sorry...)


Montag, Juni 03, 2002

Schnipsel
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SPIEGEL: Dass Romane aus Ihren langjährigen Notizen erwaschen, haben
Sie schon oft geschildert - im "Tod eines Kritikers" allerdings spürt man die
Herkunft aus dem Zettelkasten sehr deutlich, auch an der Fülle der zum Teil
sehr genauen Beobachtungen.

Walser: Das Wort "Zettelkasten" höre ich nicht gern, bei mir sind das
Notizbücher - ich bin nicht Arno Schmidt. Wenn das vorliegt, also wenn sich
solche ungesuchten unfreiwillig gemachten Erfahrungen sameln, noch ohne
Ziel, aber immer unter "T. e. Kr.", also wie im Affekt...
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Heute vor 23 Jahren starb Arno Schmidt


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